Downlaufen - der Weg zur inklusiven Laufgruppe

Lauftraining im April 2017 3. Dezember 2017, früh am Morgen. Heute soll der Nikolauslauf des FC Sankt Pauli stattfinden. Downlaufen ist mit sieben Läufern vertreten, zum dritten Mal schon sind wir dabei. Beim Aufstehen gibt es noch große Zweifel, ob es wohl ein gelungener Tag werden kann. Es regnet in Strömen bei einem Grad über Null. Als sich die Leute am Treffpunkt versammeln, endet der Regen allmählich, und als wir loslaufen, ist es kalt, aber trocken. Es ist unser Abschluss für ein weiteres gelungenes Jahr, das dritte mittlerweile seit Gründung des Vereins Downlaufen. Wie man Stimmung macht, davon verstehen sie am Millerntor etwas, und hinterher gibt es leuchtende Augen wegen eines rundum perfekten Tages. Jemand sagt, die Leute bei diesem Lauf waren so wild entschlossen, Spaß haben zu wollen, dass es wohl selbst nicht schlimm gewesen wäre, wenn es weiter geregnet hätte.

Dreieinhalb Jahre vorher, Sommer 2014. Ich sitze in den Vereinsräumen von KIDS und stelle die Idee einer Laufgruppe für Menschen mit Down-Syndrom vor. Die Idee fand damals Anklang, eine Rundmail wurde an die Mitglieder geschickt - und dennoch war anfangs ganz und gar nicht gesichert, dass diesem Projekt eine Zukunft beschieden war. Im September jenes Jahres traf ich mich zum ersten Lauftermin im Eimsbüttler Park am Weiher ein. Es kam genau ein Interessent, und dieser wurde auch danach nie wieder gesehen. Einige Male dachte ich, dass diese Sache wohl bald wieder einschlafen würde, und es brauchte eine Reihe von Zufällen, die Zahl der Interessenten so weit zu steigern, dass man immerhin von einer Gruppe sprechen konnte. Ich bin denjenigen dankbar, die sich damals mutig als Versuchskaninchen zur Verfügung stellten. Ich habe viel ausprobiert, aus heutiger Sicht manches falsch gemacht, und viele Lektionen waren zu lernen, um uns dahin zu bringen, wo wir heute sind.

Begonnen hatte alles mit der Idee, dass ich Menschen mit Down-Syndrom als Trainer den Spaß am Laufen vermittle. Drei Jahre später stellt sich unser Projekt aber ganz anders dar. Inzwischen sind wir eine inklusive Laufgruppe, die zu etwa gleichen Teilen aus Menschen mit und ohne Handicap besteht. Diese Richtung war alles andere als vorgegeben. Es war kein gerader und direkter Weg von damals zu heute, sondern einer, der mit guten wie schlechten Entscheidungen gepflastert war. Schon ganz am Anfang bemerkte ich, dass die Läufer in meiner Gruppe auf so unterschiedlichen Leistungsniveaus waren, dass ich sie kaum zusammen trainieren konnte. Dem begegnete ich am Anfang durch die Aufteilung in zwei Gruppen. Und bald holte ich mir mit Sebastian Verstärkung für die Leitung der Laufgruppen. Das Niveau stieg in beiden Gruppen, aber nicht gleichmäßig. Die stärkere Gruppe machte sehr schnelle Fortschritte, konnte von Mal zu Mal mehr Runden zurücklegen, während es bei der nicht so starken langsamer vorwärts ging. Das ist vollkommen normal und wäre bei Menschen ohne Handicap nicht anders.

Volkslauf in Finkenwerder Nun ist es für Leute, die mehrere Kilometer laufen können, auf Dauer langweilig, immer um einen kleinen Ententeich zu joggen. Und so trennten wir die beiden Gruppen auch räumlich. Die stärkere Gruppe trainierte fortan im Niendorfer Gehege und lief dort durch die Wälder, entlang der Kollau und durch Parks und Kleingärten. Und die übrigen blieben am Weiher. Diese Teilung sehe ich heute als den größten Fehler an, den wir bei der Entwicklung von Downlaufen gemacht haben. Denn am Weiher war die Stimmung ein wenig wie bei einer Party, nachdem alle lustigen Leute gegangen sind. Auch den Trainern machte es mit der stärkeren Gruppe mehr Spaß. Trotzdem behielten wir die Idiotie der örtlichen Trennung über ein Jahr bei. Und manchmal denke ich, dass einige, die neu hinzugestoßen sind und schnell wieder aufgegeben haben, vielleicht heute noch dabei wären, wenn wir etwas eher auf die Idee gekommen wären, eine Vereinigung der Gruppen vorzunehmen.

Erst im Jahr 2016 haben wir dann gesagt, Schluss mit dem Weiher, jetzt kommen alle zum Niendorfer Gehege. Die U-Bahnhaltestelle Hagendeel liegt direkt nebenan, somit ist der Treffpunkt einfach zu erreichen. Natürlich laufen nicht alle immer zusammen, dazu sind die Leistungsunterschiede zu groß. Aber alle laufen gemeinsam los, alle machen zusammen die Laufschule, und alle treffen sich nach 45 Minuten zu den Dehnübungen. Wer dann noch Lust hat, läuft noch weiter - wenn es die Zeit und Lust erlaubt, auch bis zur Abenddämmerung. Der Erfolg dieser einfachen Maßnahme war schon mal beträchtlich. Zum Beispiel haben wir bei Sophie eine riesige Steigerung der Motivation beobachtet, die dann auch zu Leistungssteigerungen geführt hat.

Durch Austausch mit Trainern im Behinderten- und Inklusionssport, vor allem vermittelt durch die Stiftung Alsterdorf, öffnete sich dann unser Horizont für weitere Ideen. Statt zweier Trainer und einer Gruppe von Trainierten stellten wir die Terminologie um, und fortan gab es Athleten (mit Handicap) und Laufpartner (ohne Handicap). Denn natürlich kann ein Mensch mit Down-Syndrom, der seit zwei Jahren dabei ist, den Neulingen genauso gut zeigen, wie die Übungen beim Lauf-ABC gehen und wie man nach dem Training dehnt. Jeder kann also mal Trainer sein. Für die Umstellung auf eine inklusive Laufgruppe brauchten wir dann auch mehr Teilnehmer ohne Handicap. Hier haben wir vor allem im Jahr 2017 einige tolle Leute gefunden, die mit Begeisterung dabei sind.

nach dem Nikolauslauf Wird nun jeder, der zu uns kommt, ein begeisterter Langstreckenläufer? Die ehrliche Antwort lautet nein. Das wurmt uns nicht sonderlich, denn auch hier gibt es eine Parallele zu herkömmlichen Laufgruppen. Wir können versuchen, die Neuankömmlinge mit Begeisterung anzustecken, in ihnen den Willen zu wecken, sich verbessern zu wollen, und wenn wir alles richtig machen, dann gehen sie vielleicht auch unter der Woche allein vor die Tür und laufen einige Runden um den Block. So erleben wir, dass einige besonders Motivierte sich in extrem kurzer Zeit so sehr verbessern, dass man den Fortschritten kaum folgen kann - etwa Serge, der noch nicht einmal ein halbes Jahr dabei ist, und bei dem wir uns langsam Sorgen machen, wie lange wir noch mit ihm mithalten können. Andere stagnieren allerdings und werfen dann auch das Handtuch, wenn sie bemerken, dass es nicht vorangeht. Wunder leisten wir keine, wir zeigen lediglich den Weg, und immer wieder funktioniert das ganz gut. In jedem Fall sollte man es einmal ausprobieren, und vielleicht stellt der eine oder andere fest, dass Laufen gar nicht so langweilig ist wie gedacht.

Das Jahr 2017 ist fast rum. Neben etlichen Trainingstagen haben wir an neun Wettkampfläufen unterschiedlichster Ausprägung teilgenommen, und weil man neben all dem Gelaufe auch mal ausspannen soll, gab es zudem einen Kegelausflug, einen Ausflug in den Hansapark, und für einige Leute auch kleine Kochgruppen. Die Bilanz lässt sich sehen, und mit unserem Konzept und unseren Laufpartnern und Athleten bin ich zuversichtlich, dass wir 2018 ebenso erfolgreich weitermachen. Vielleicht mit einigen neuen Leuten - wir sind immerzu neugierig auf Zuwachs.

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